Asbest: ein endloser Justizmarathon?

11. April 2025

Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg die Schweiz in dem von Schadenanwalt Martin Hablützel erstrittenen Urteil vom 13. Februar 2024 Jann-Zwicker and Jann v. Switzerland (Nr. 4976/20) ein zweites Mal wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gerügt hat, muss der Fall †Marcel Jann nun endgültig innerstaatlich beurteilt werden.

Der EGMR erkannte auf eine Verletzung des Rechts auf Zugang zum Gericht, soweit in der Schweiz eine Verjährungspraxis zur Anwendung gelangt, gemäss dieser ein Anspruch absolut verjähren kann, bevor er überhaupt entstanden ist. Zudem habe, so der EGMR, das Bundesgericht das Verfahren verschleppt (Lesen Sie dazu mehr in unserem Beitrag vom 21. März 2024).

Aufgrund des vorgenannten Urteils des EGMR reichten die Schadenanwaelte Martin Hablützel und Soraya Schneider am 12. August 2024 ein Revisionsgesuch beim Bundesgericht ein. Mit Urteil 4F_22/2024 vom 19. Februar 2025 trat das Bundesgericht auf das Revisionsgesuch ein, hiess dieses gut und hob das Urteil 4A_554/2013 auf.

Im Rahmen dessen wies das Bundesgericht in 5-er Besetzung zu Recht darauf hin, dass die im innerstaatlichen Verfahren anbegehrten Forderungen nicht als Prozessgewinn im Rahmen der gerechten Entschädigung vor dem EGMR geltend gemacht werden müssen, soweit die entsprechenden Forderungen innerstaatlich noch nicht materiell überprüft worden seien. So vermöge der EGMR aufgrund dessen nämlich gar nicht zu beurteilen, ob der innerstaatliche Prozess ohne die Konventionsverletzung zumindest teilweise gewonnen worden wäre.

In einem zweiten Schritt befand das Bundesgericht über die Beschwerde, mit der es sich zuvor befasst hatte. Diesbezüglich hielt das Bundesgericht fest, dass sich weder die Erst- noch die Vorinstanz zur Frage der relativen Verjährung geäussert hatten. Zwar handle es sich bei der Frage nach dem Eintritt der relativen Verjährung um eine Rechtsfrage, bei der Frage, wann und von wem welche verjährungsunterbrechenden Handlungen vorgenommen worden seien, hingegen um eine Tatfrage. Letzteres ist ausschlaggebend dafür, dass die Frage der relativen Verjährung nicht direkt durch das Bundesgericht selbst beurteilt werden kann. Die Sache wurde daher durch das Bundesgericht praxisgemäss an die Vorinstanz zurückgewiesen, mit der Anmerkung, dass es dieser wiederum freistehe, die Sache – sofern aus deren Sicht notwendig – an die Erstinstanz weiter zu verweisen.

Entsprechend hob das Bundesgericht das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 4. Oktober 2013 auf und wies die Sache zur neuen Beurteilung – unter Berücksichtigung einer allfälligen relativen Verjährung – an die Vorinstanz zurück.

Es wird nun fast 16 Jahre nach Klageeinreichung am 16. Juli 2009 das Kantonsgericht Glarus die Ansprüche der Angehörigen von †Marcel Jann prüfen müssen. Es verbleibt indes zu erwarten, dass nun, wo die Einrede der absoluten Verjährung entfällt, ein unerbittlicher Rechtsstreit um die Frage der relativen Verjährung entbrennt. Wohl wird der Fall †Marcel Jann die Gerichte sowie auch die Angehörigen von †Marcel Jann (Klägerschaft) noch jahrelang auf Trab halten. Es ist nämlich anzunehmen, dass die Gerichte die Frage der relativen Verjährung mit aller Härte entscheiden werden, um so zu verhindern, dass die Verstösse der Verantwortlichen der damaligen Eternit (Schweiz) AG bzw. der heutigen «Schweizer Perle» (Swisspearl Schweiz AG) untersucht und geprüft werden müssen.

So sind nun, nach der Tragödie für die Asbestopfer, deren Angehörige dem Schicksal eines endlosen Justizmarathons ausgesetzt. Doch scheint dies an den Verantwortlichen bzw. deren Rechtsnachfolgern ohne Weiteres «abzuperlen».

RA Martin Hablützel
RAin Soraya Schneider