Leichtsinniger Absturz der ‚Tante Ju‘

1. September 2020

Der noch unveröffentlichte Bericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST öffnet den Weg für Klagen gegen den Bund. Die Ursachen des Absturzes der Ju 52 (auch ‚Tante Ju‘ genannt) vom 4. August 2018 in Flims, bei welchem 20 Personen getötet wurden, wirft ein schlechtes Licht auf das BAZL (Bundesamt für Zivilluftfahrt) als Kontrollbehörde. Der Captain sei ‚hochriskant‘ und viel zu tief geflogen, lautet das Urteil im Bericht. Der ehemalige Militärpilot, der schon im Militär in tragische Kollisionen verwickelt war, hätte als Pilot leichtsinnig Regelbrüche begangen und immer wieder risikoreiches Verhalten an den Tag gelegt. Er hielt sich für ‚unverwundbar‘. Die Piloten der Ju 52 seien regelmässig zu tief geflogen, was auch zu Anzeigen führte. Selbst bei Checkflügen sei der Captain zu tief geflogen. Das Fehlverhalten sei aber nie geahndet worden. Die Ju Air und die Piloten hätten Narrenfreiheit genossen, werfen andere Luftfahrbetriebe dem BAZL vor. 

Gemäss Art. 3 des Verantwortlichkeitsgesetzes des Bundes haftet der Bund für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt. Als Aufsichtsbehörde wäre das BAZL verpflichtet gewesen, bei Kenntnissen über die Regelverstösse der Ju Air und deren Piloten einzuschreiten. Die Massnahmen reichen von Bussen, Entzug von Betriebsbewilligungen oder des Flugbrevets bis hin zur Anordnung von Freiheitsstrafen durch Gerichte bei Gefährdung des Lebens von Flugpassagieren. 

Gerade weil das BAZL nie eingeschritten ist, konnten die Piloten ihr regelwidriges und verantwortungsloses Verhalten ungehindert fortsetzen. Insofern ist das BAZL mitverantwortlich für die die Tragödie am Segnespass.  

Tages-Anzeiger vom 9. August 2020

Martin Hablützel, Fachanwalt für Haftpflicht- und Versicherungsrecht