Zwei Unfälle, Kausalität bejaht – trotzdem keine Haftung!

1. Oktober 2024

Das Urteil des Bundesgerichts vom 3. Juni 2024 im Verfahren 4A_411/2023 ist ein weiteres – aus Geschädigtenperspektive ernüchterndes – Beispiel dafür, wie schwierig und unvorhersehbar Prozessieren geworden ist. Es enthält zudem spannende Ausführungen zum Thema Kausalität, zur Substantiierung und Bestreitung sowie den Anforderungen im bundesgerichtlichen Verfahren. Worum ging es:

Der 1948 geborene Geschädigte war in einen ersten unverschuldeten Autounfall verwickelt. Als er gleichentags als Beifahrer im Abschleppwagen mitfuhr, kam es zu einem zweiten Unfall. Es trat eine volle Arbeitsunfähigkeit ein. Der Geschädigte klagte in der Folge die Lenkerin, den Halter sowie die Versicherung aus dem ersten Unfall ein. Die erste Instanz wies die Klage ab. Eine dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht ebenfalls ab. Der gerichtliche Gutachter erachtete es zwar für erwiesen, dass die Beschwerden durch die Unfälle verursacht worden seien. Grundsätzlich seien beide Unfälle geeignet gewesen, die Beschwerden zu verursachen. Da es aber gemäss Gutachter nicht möglich sei, eine konkrete Zuordnung vorzunehmen, schloss das Obergericht, dass es nicht ausgeschlossen erscheine, dass die Beschwerden einzig durch das zweite Unfallereignis verursacht worden seien (der Kläger klagte nur gegen die zuständigen Parteien aus dem ersten Unfallereignis). Der Kläger gelangte daraufhin an das Bundesgericht.

Das Bundesgericht wies die Klage des Geschädigten ab:

  • So sei zwar die Begründung des Obergerichts, der Kläger habe nur zur Frage der «Unfallbedingtheit der Beeinträchtigungen sowie zum Kausalzusammenhang ein Gutachten verlangt, während ein Antrag zur Frage der Höhe der Arbeitsfähigkeit mit Blick auf die einlässliche Bestreitung fehle», nicht haltbar (E. 2.2). Die Beklagte bestritt zwar eine unfallkausale Arbeitsunfähigkeit. Dies aber allein mit Blick darauf, dass über den Ablauf von einer Woche keine Unfallfolgen mehr vorlägen (E. 2.2.4).
  • In der Beschwerdereplik machte der Kläger geltend, dass es ohne das erste Unfallereignis nicht zum Abschleppen und damit auch nicht zum zweiten Unfall gekommen wäre (E. 3.2.). Das Bundesgericht erinnert daran, dass die Begründung in der Beschwerdeschrift zu erfolgen habe. Zudem zeigte der Beschwerdeführer nicht auf, dass er entsprechende Rügen bereits in den vorinstanzlichen Verfahren eingebracht hätte, womit es an der Ausschöpfung des Instanzenzuges fehle (E. 3.2.1.). Zudem sei der Einwand haltlos: Der Kausalzusammenhang umfasse nicht jede Vorbedingung (E. 3.2.2.)
  • Das Bundesgericht beschäftigte sich in der Folge mit der alternativen und kumulativen Kausalität (E. 4). Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers liege kein Fall von kumulativer Kausalität vor. Der Gutachter habe ausgeführt, grundsätzlich seien beide Unfälle je für sich alleine geeignet, die Beschwerden zu verursachen. Zwar sei ausgeschlossen, dass die Beschwerden auch ohne die (beiden) Unfälle aufgetreten wären. Der Gutachter spreche aber gerade nicht davon, dass beide Unfälle zu je 100% die Beschwerden verursacht hätten (E. 4.4.2.).

Das Urteil zeigt einmal mehr die prozessualen Hürden und Beweisschwierigkeiten in Haftpflichtfällen auf. Unklar bleibt, ob die Klage hätte gutgeheissen werden müssen, wenn der Kläger auch die zuständige Versicherung aus dem zweiten Unfall eingeklagt hätte.

RA Rainer Deecke