Wenn die IV ein Gutachten ignoriert: Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung abermals!

4. Juli 2025

Das Bundesgericht hat das Sozialversicherungsgericht und die SVA Zürich gerügt, weil sie von einem medizinischen Gutachten abwichen und stattdessen eine Indikatorenprüfung durchführten, was zur Abweisung des Rentenanspruches unserer Mandantin führte.

Hat die Invalidenversicherung oder im Beschwerdefall das zuständige Gericht über den Leistungsanspruch einer psychisch kranken Person zu entscheiden, muss ein strukturiertes Beweisverfahren (sog. Indikatorenprüfung) durchgeführt werden. Das hat das Bundesgericht mit seinem Leitentscheid BGE 141 V 281 im Jahr 2015 entschieden. Was zunächst nur für einzelne Erkrankungen galt, wurde schliesslich im Jahr 2017 auf sämtliche psychischen Erkrankungen ausgeweitet mit BGE 143 V 418. Gemäss dem strukturierten Beweisverfahren ist die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit anhand einer Reihe von Indikatoren zu beurteilen, welche die funktionellen Einschränkungen, die Konsistenz der Beschwerden sowie die Ressourcen und Belastungen objektiv bewerten. Die Ausgangslage bildet dabei immer eine verlässliche medizinische Grundlage. In den allermeisten Fällen wird dies ein medizinisches Gutachten sein, welches die Invalidenversicherung bei einem externen Begutachtungsinstitut in Auftrag gibt. Erst wenn der Gesundheitszustand der versicherten Person umfassend gutachterlich geklärt ist, kann das strukturierte Beweisverfahren durchgeführt werden.

Was geschieht nun aber, wenn die Invalidenversicherung mit der medizinischen Beurteilung nicht einverstanden ist? Bei jährlich Begutachtungskosten im hohen zweistelligen Millionenbereich besteht bei den Versicherungsträgern wohl eine gewisse Zurückhaltung gleich ein neues Gutachten in Auftrag zu geben. Im Fall unserer Mandantin hat die SVA die Arbeitsfähigkeit zu ihren Ungunsten höher beurteilt als die Gutachter und hat dies mit den Ergebnissen des strukturierten Beweisverfahrens zu rechtfertigen versucht, was durch das Sozialversicherungsgericht geschützt wurde.

Auf unsere Beschwerde hin hat das Bundesgericht nun abermals klargestellt, dass ein strukturiertes Beweisverfahren ohne schlüssiges Gutachten nicht zulässig ist. Mögliche Mängel und Unklarheiten im Gutachten sind dabei vorgängig durch Rückfragen zu klären. Im Zweifel ist ein neues Gutachten einzuholen.

In der Praxis sehen wir dieses Vorgehen der Invalidenversicherungen nur, wenn gutachterlich eine anspruchsbegründende Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Will die Versicherung von einer gutachterlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit abweichen, sollte ein solcher Entscheid immer anwaltlich überprüft werden.

Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 2025 im Verfahren 8C_516/2024

RA Stephanie C. Elms