Übergangsleistungen der IV: Die kleine Unbekannte?
17. Dezember 2024
In einem aktuell von schadenanwaelte betreuten Fall mussten wir feststellen, dass die zuständige IV-Stelle vom Institut der Übergangsleistungen keine Kenntnis hatte. Dies hat dazu geführt, dass unsere Klientin aufgrund der lange andauernden Abklärungen durch die IV gezwungen war, bei der Fürsorge vorstellig zu werden, da ihre Rente nach der Wiedereingliederung aufgehoben wurde und sie erneut gesundheitsbedingt nicht mehr arbeiten konnte. Genau für solche Fälle wären die Übergangsleistungen gedacht.
Anlässlich der 6. IV-Revision wurden die Übergangsleistungen per 1. Januar 2012 eingeführt. In seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2019 zu einer eingereichten Interpellation erläuterte der Bundesrat, dass gemäss statistischer Auswertungen die Übergangsleistungen – zumindest bis Ende 2018 – nur in einer geringen Anzahl Fälle zum Tragen komme.
Dank der Übergangsleistung zahle jedoch die Invalidenversicherung und mit ihr auch die berufliche Vorsorge (vgl. Art. 26a BVG) nach kurzer Zeit (d. h. nach 30 Tagen gemäss Art. 32 Abs. 1 und 2 IVG) unbürokratisch und im Sinne einer Übergangslösung wieder diejenige Rentenleistung, welche die versicherte Person vor der Herabsetzung oder Aufhebung der Rente erhalten habe. Die Übergangsleistung werde dabei unabhängig vom Vorliegen einer neuerlichen Invalidität nach Artikel 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts ausgerichtet (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20184378).
Voraussetzungen der Übergangsleistungen und Anpassung der Leistungen an neuen IV-Grad
Nach Art. 32 IVG hat eine versicherte Person, deren Rente nach einer von der IV durchgeführten Wiedereingliederung oder wegen einer Wiederaufnahme oder Erhöhung der Erwerbstätigkeit herabgesetzt oder aufgehoben wurde, bei erneuter Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes Anspruch auf Übergangsleistungen der IV.
Voraussetzungen für den Anspruch auf solche Übergangsleistungen sind kumulativ, dass die Verschlechterung innerhalb von drei Jahren ab Erlass der Verfügung, welche eine Rentenaufhebung- oder -herabsetzung zur Folge hatte, eingetreten ist, die Arbeitsunfähigkeit mind. 50% beträgt, mindestens dreissig Tage gedauert hat und weiterhin andauert.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält die versicherte Person nach Art. 33 IVG unbürokratisch Übergangsleistungen in der Höhe der bisherigen, aufgehobenen Rente bzw. der Differenz zwischen der noch laufenden (tieferen) Rente und der Rente vor der Herabsetzung. Waren zuvor auch Leistungen aus BVG geschuldet, werden auch diese wieder ausgerichtet.
Gleichzeitig leitet die IV die Abklärungen zur Feststellung des IV-Grades ein und hat darüber einen neuen Entscheid zu erlassen. Bereits einen Monat nach Erlass dieser Verfügung werden die Leistungen dem neuen IV-Grad angepasst. Eine bestehende Rente wird gemäss dem neuen IV-Grad bei erheblicher Änderung erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben. Bei einer zuvor aufgehobenen Rente wird bei einem anspruchsbegründenden IV-Grad wieder eine Rente ausgerichtet.
Achtung: Zeitpunkt der Anpassung bei langwierigen Abklärungen durch die IV
Bei Fällen, in denen die IV langwierige Abklärungen tätigt, bis der Entscheid des neuen IV-Grades vorliegt, kann dies dann zu stossenden Ergebnissen führen, wenn die Abklärungen zum Ergebnis gelangen, dass höhere Rentenleistungen als (die laufenden) Übergangsleistungen geschuldet sind und die versicherte Person, welche aufgrund der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bei der IV eine Neuanmeldung gemacht oder ein Revisionsgesuch eingereicht hätte, in diesem Fall besser gestellt wäre, als wenn sie keine Übergangsleistungen bezogen hätte.
In seinem Urteil vom 21. Dezember 2022 (IV.2022.00110) hat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich bereits entschieden, dass in einem solchen Fall Art. 34 Abs. 2 lit. a IVG nicht nach seinem reinen Wortlaut ausgelegt werden soll, da eine solche Auslegung zweckwidrig und gemäss den Materialen zur Übergangsleistung vom Gesetzgeber nicht gewollt sei.
Ziel der Übergangsleistungen nach Art. 32 ff. IVG sei die Förderung der Wieder-eingliederung und solle für die versicherten Personen während einer beschränkten Zeitspanne von drei Jahren eine Sicherheit bieten: Bei erneuten gesundheitsbedingten Lohneinbussen sollten diese Versicherten finanziell so abgesichert sein, wie wenn sie sich nicht gewagt hätten, erneut eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder ihr Arbeitspensum zu erhöhen.
Daher ist gemäss den Erwägungen des Sozialversicherungsgerichtes des Kantons Zürich entgegen dem genauen Wortlaut von Art. 34 Abs. 2 lit. a IVG der Anpassungszeitpunkt der Leistung auf denselben Zeitpunkt festzulegen wie bei einer Neuanmeldung, falls die Überprüfung des IV-Grades zu einer Erhöhung des Leistungsanspruches führt. Die Anpassung ist diesfalls rückwirkend vorzunehmen.
Bei langwierigen Abklärungen wie in unserem Fall, welche zwei Jahre oder länger dauern können, lohnt es sich also, den Anpassungszeitpunkt jeweils genau zu überprüfen, insbesondere dann, wenn Leistungsansprüche gegenüber der Pensionskasse hinzukommen.