Schwer, schnell, unversichert: Neue E-Bike-Regeln mit gefährlichem Potenzial

8. Oktober 2025

Per 1. Juli 2025 hat der Bund die technischen Anforderungen und die Kategorisierung der E-Bikes angepasst. Dabei gelten E-Bikes, Lasten-E-Bikes, Elektromotorfahrräder sowie Elektrotrotinetts als sogenannte leicht-Motorfahrräder, sofern diese einen elektrischen Antrieb bis maximal 25 km/h haben und nicht mehr als 250 kg wiegen (Art. 18 VTS). Diese leicht-Motorfahrräder dürfen ohne Zulassung und ohne Kontrollschild benützt werden. Dies heisst konkret, dass sie nicht der Haftpflichtversicherungspflicht nach Art. 63 SVG unterliegen (Art. 3 Abs. 1 VVV), sondern es der Inhaberin, bzw. dem Fahrzeugführer überlassen ist, ob sie eine Privathaftpflichtversicherung abschliessen, die allfällige Unfälle mit dem E-Bike abdeckt.

Darüber hinaus gelten für leicht-Motorfahrräder die gleichen Verkehrsregeln wie für Radfahrende und sie dürfen die Radwege mitbenützen, d.h. Wege, die mit dem Symbol für Fahrrad gekennzeichnet sind (Art. 64 Abs. 6 SSV), sowie solche, die für die zwei Benutzerkategorien Fussgänger/Radfahren bestimmt sind, befahren. Dabei muss auf FussgängerInnen besondere Rücksicht genommen und die Geschwindigkeit den Umständen angepasst werden (Art. 33 Abs. 4 SSV).

Problematisch ist dabei folgendes: Lastenvelos wiegen in der Regel, ohne Last und FahrerIn zwischen 40-60 kg. Elektroroller bis 25 km/h Antrieb sind normalerweise noch schwerer. Im Vergleich dazu wiegt das E-Velo bis 25 km/h im Schnitt zwischen 20 und 25 kg, ein normales Strassenvelo 12 bis 20 kg und ein Rennrad 7 bis 11 kg oder ist gar noch leichter (Durchschnittsgewichte gemäss perplexity.ai). Bei Lastenvelos und dergleichen ist ausserdem davon auszugehen, dass typischerweise das Gewicht im Betrieb nicht nur den Fahrer umfasst, sondern je nach dem eine zusätzliche Person, ein Kind oder eine Last. Das Gewicht des Lastenvelos sowie des E-Bikes ist somit im Betrieb deutlich höher als dasjenige des Strassen- oder Rennvelos.

Stossen nun zwei Fahrzeuge zusammen, ist der sogenannte Impulserhaltungssatz massgebend: Der Impuls (p = m*v, wobei m die Masse und v die Geschwindigkeit ist) bleibt vor und nach dem Stoss erhalten und wird auf beide aufeinanderprallenden Fahrzeuge übertragen, wobei die Verteilung von der jeweiligen Masse abhängt. Das schwerere Fahrzeug wird dabei eine grössere Impulskomponente auf das leichtere übertragen. Dieser Effekt ist umso grösser, je grösser der Gewichtsunterschied zwischen den beiden Fahrzeugen ist. Konkret heisst dies, das leichtere Fahrzeug und dessen FahrerIn wird deutlich schwerer geschädigt sein. Daneben ist auch zu beachten, dass das grössere Gewicht einen längeren Bremsweg verursacht, womit die Kollisionen von schwereren Fahrzeugen bei sonst gleichen Umständen mit grösserer Geschwindigkeit erfolgt.

Zur Veranschaulichung soll folgendes Beispiel dienen:

Beim Frontalzusammenstoß eines insgesamt 200 kg schweren Lastenfahrrad und eines  insgesamt 100 kg schweren Renn- oder Strassenrads, die beide mit je 20 km/h Geschwindigkeit zusammenstossen, würde das Renn- oder Strassenrad eine abrupte Abbremsung erfahren, die ungefähr dem Effekt entspricht, als würde es mit ca. 27 km/h (=Δv) gegen ein stehendes Hindernis prallen (auch wenn der Effekt nicht exakt derselbe ist). Demgegenüber wäre das Δv für das 200 kg Lastenfahrrad nur etwa bei 13 km/h. Wären zwei Strassen- oder Rennradfahrer mit je 100 kg zusammengeprallt wäre demgegenüber bei beiden Fahrzeugen das Δv bei 20 km/h und somit gleichmässiger verteilt (Berechnungen durch perplexity.ai). Es ist ausserdem aufgrund des reduzierten Bremswegs davon auszugehen, dass die Strassen- oder Rennräder (bei sonst gleichen Umständen) mit kleinerer Geschwindigkeit aufeinanderprallen, als wenn ein schwereres Fahrzeug beteiligt ist.

Auch bei Zusammenstössen mit Fussgängern verursacht das grössere Gewicht des Fahrzeugs, aus den gleichen Gründen, ein erhebliches Schädigungspotenzial. Es ist deshalb unverständlich, dass Fahrzeuge bis zu einem Gesicht von 250 kg ohne obligatorische Haftpflichtversicherung betrieben werden dürfen.

Die ab 1. Juli 2025 gültigen Neuregelungen sind in Form einer Übersichtstabelle beim Bundesamt für Strassen unter folgendem Link zu finden.

RAin Anna Schneider