Einsicht in Gutachten der Invalidenversicherung – Erfolg im Aargau
15. September 2021
schadenanwaelte forderte in einem Fall von der Invalidenversicherung des Kantons Aargau gestützt auf das kantonale Öffentlichkeitsgesetz Einsicht in sämtliche (vorab zu anonymisierende) medizinische Gutachten von bestimmten Ärzten. Für den Fall, dass diesem Antrag nicht entsprochen wird, wurde mindestens Einsicht in die Passagen gefordert, welche die Diagnosen und die attestierten Arbeitsunfähigkeiten betreffen. Die Invalidenversicherung lehnte das Einsichtsgesuch vollumfänglich ab. Eine gegen die entsprechende Verfügung gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Aargau teilweise gutgeheissen. Die Invalidenversicherung muss nun diverse Informationen preisgeben.
Mit Urteil vom 2.8.2021 hat sich das Verwaltungsgericht eingehend mit dem Zugang zu medizinischen Gutachten auseinandergesetzt und den Umfang der Einsicht in die Gutachten definiert.
Das Gericht hielt zunächst in grundsätzlicher Hinsicht fest, dass jede Person Zugang zu amtlichen Dokumenten und damit auch zu medizinischen Gutachten der Invalidenversicherung hat; dies gilt unabhängig davon, welche Interessen mit dem Zugang verfolgt werden. Eine Einsicht in medizinische Gutachten ist jedoch nur zulässig, wenn dem Interesse an Geheimhaltung der Gesundheitsdaten der begutachteten Person Rechnung getragen wird. Dieses Geheimhaltungsinteresse wird dann gewahrt, wenn das Gutachten irreversibel anonymisiert wird, also keine Rückschlüsse mehr auf die begutachtete Person gezogen werden können.
Gemäss dem Verwaltungsgericht ist eine entsprechende Anonymisierung bei Gutachten, die biographische Angaben und eine persönliche Anamnese enthalten, nicht sicher möglich, weshalb der Zugang zu sämtlichen medizinischen Gutachten und dem gesamten Inhalt unzulässig sei. Auch vor dem Hintergrund des übermässigen Aufwandes zur Anonymisierung könne dem Gesuch nicht entsprochen werden. Jedoch seien Teilauszüge wie das Deckblatt, Diagnosen sowie attestierte Arbeitsunfähigkeiten herauszugeben, da diese Informationen eine Identifikation der begutachteten Person ausschliessen. Dabei handelt es sich um die Informationen, welche für die Versicherten von grösstem Interesse sind.
Ferner hielten die RichterInnen fest, dass es sich bei den Personendaten der Gutachter, im Gegensatz zu denjenigen der begutachteten Person, nicht um schützenswerte Daten handle. Letztlich wies das Verwaltungsgericht noch darauf hin, dass eine allfällige Gebühr für die Anonymisierung höchstens kostendeckend sein und nicht prohibitiv wirken dürfe.
Aus diesen Gründen wurde die Beschwerde teilweise gutgeheissen und die Invalidenversicherung angewiesen, die besagten Informationen herauszugeben. Diese vom Verwaltungsgericht angeordnete Transparenz ist sehr zu begrüssen und wird allenfalls (weitere) Missstände im Begutachtungswesen der IV zu Tage fördern.
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 2.8.2021