Befangenheit eines Gutachters aufgrund einseitiger Aktendokumentation
15. März 2023
Wenn eine versicherte Person in einem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren begutachtet wird, dann gelten für die Gutachterpersonen die gleichen Ausstandsgründe wie für Richter. Nach Art. 36 ATSG liegt ein Ausstandsgrund vor, wenn die Gutachterperson in der Sache ein persönliches Interesse hat oder in der Sache befangen sein könnte. Befangenheit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall anhand sämtlicher Gegebenheiten Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit zu erwecken. Dabei ist es ausreichend, den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit nachzuweisen, da die tatsächliche Befangenheit nur schwer beweisbar ist (vgl. etwa BGE 140 III 221 E. 4.1). Mit dieser Thematik hatte sich das Verwaltungsgericht Schwyz kürzlich in einem von schadenanwaelte geführten Fall auseinanderzusetzen.
Die Krankenkasse des Versicherten wurde nach einem Rückweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts Schwyz verpflichtet, ein Gutachten zur Abklärung des medizinischen Sachverhalts einzuholen, damit über die Kostenübernahme eines operativen Eingriffs erneut entschieden werden konnte. In der Folge unterbreitete die Krankenkasse einen Vorschlag für einen Gutachter, bei welchem die Expertise schliesslich eingeholt wurde. Aus der zugestellten Kopie des Gutachtenauftrags ging hervor, dass bereits ein Jahr zuvor eine Kontaktaufnahme stattfand und dass dem Gutachter diverse medizinische Unterlagen sowie die Rechtsschriften der Krankenkasse übermittelt wurden, hingegen nicht diejenigen des Versicherten. Gestützt darauf wurde ein Antrag auf Befangenheit aufgrund einseitiger Kontaktaufnahme sowie Ungleichbehandlung der Parteien wegen einseitiger Aktendokumentation gestellt. Die Krankenkasse war der Auffassung, dass keine Voreingenommenheit vorliege und begründete dies damit, dass die Rechtsschriften ohnehin nicht von Relevanz seien und der Gutachter für seine Beurteilung nur auf die medizinischen Berichte abstellte. Deshalb komme der (zwischenzeitlich bereits erstellten) Expertise volle Beweiskraft zu. Gestützt darauf lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab.
In der Folge wurde eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht Schwyz eingereicht, welche kürzlich gutgeheissen wurde. Das Gericht erachtete es als erstellt, dass der Gutachter einseitig dokumentiert worden sei und damit nur die von der Krankenkasse vorgetragene Sichtweise gekannt habe. Es betonte, dass dabei entgegen der Ansicht der Krankenkasse auch die Rechtsschriften von Relevanz seien, da diese ebenfalls Aussagen medizinischer Art enthalten. Es sei davon auszugehen, dass der Gutachter für eine beweiskräftige Expertise alle ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen studieren müsse, weshalb feststehe, dass er hinsichtlich der Argumentationen einen parteiischen Kenntnisstand hatte. Bereits dies erwecke den Anschein von Befangenheit (E. 2.3.3). Zudem werde dieser Anschein dadurch bestärkt, dass eine einseitige Kontaktaufnahme stattgefunden habe, deren Umstände nicht dokumentiert seien (E. 2.3.4). Dies führt im Ergebnis zur Unverwertbarkeit der Expertise, weshalb ein neues Gutachten bei einem unparteiischen Gutachter einzuholen ist.
Wichtig ist in diesen Fällen jeweils, dass die Ausstands- und Befangenheitsgründe umgehend, d.h. innert 10 Tagen geltend gemacht werden (Art. 44 Abs. 2 ATSG). Ansonsten wird von einer stillschweigenden Einwilligung ausgegangen.
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 19. Januar 2023