Eine neue Diagnose allein ist kein IV-Revisionsgrund
4. Juli 2019
Die Invalidenversicherung hatte in einem von uns betreuten Fall versucht, einen Revisionsgrund bei einer hypothetischen Änderung des Arbeitspensums zu begründen. Das darauf hin angerufene Versicherungsgericht des Kantons Aargau erkannte, dass ein verändertes erwerbliches Arbeitspensum nur dann einen Revisionsgrund darstellen kann, wenn dies den Rentenanspruch berührt. In seinen Erwägungen kam das Gericht zur Ansicht, dass in vorliegendem Fall die Erhöhung des hypothetischen erwerblichen Arbeitspensums keinen Revisionsgrund darstellt. Die Richter des Versicherungsgerichts versuchten dann aber, den Entscheid der Invalidenversicherung mit dem Argument einer neu hinzugetretenen Diagnose als Revisionsgrund zu schützen. Der Entscheid wurde weitergezogen.
Das Bundesgericht hat nun im kürzlich getroffenen Urteil seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und festgehalten, dass eine neue Diagnose nicht per se einen Revisionsgrund darstellt und hat das vorinstanzliche Urteil kassiert.
Worum ging es?
Der Versicherten wurde im Jahr 2002 rückwirkend auf das Jahr 2000 eine halbe und ab dem Jahr 2001 eine ganze Rente zugesprochen. Die Berechnung erfolgte in Anwendung der gemischten Methode bei Status 50% Haushalt und 50% Erwerb. Die jeweils durchgeführten Revisionen in den Jahren 2002, 2004, 2007, 2010 und 2011 ergaben keine rentenrelevanten Änderungen und es wurde der Anspruch auf eine ganze Rente bestätigt.
Im Jahr 2014 wurde wiederum eine Revision eingeleitet, wobei sowohl die Versicherte wie auch ihr Hausarzt einen stabilen Verlauf mit Fehlen von neuen medizinischen Gesichtspunkten bestätigten. Die Invalidenversicherung erachtete hingegen ein polydisziplinäres Gutachten für die Klärung der Situation als unumgänglich und führte auch eine erneute Haushaltsabklärung durch.
Ende 2016 wurde der Versicherten mitgeteilt, die Invalidenversicherung beabsichtige die ganze Rente vollständig aufzuheben und es seien Eingliederungsmassnahmen zu prüfen. In der Folge wurde ein Aufbau- und Arbeitstraining durchgeführt, welches Ende 2017 wegen Nichterreichen der vorgesehenen Leistungssteigerung eingestellt wurde. Dennoch stellte die Invalidenversicherung die Rente vollständig ein und begründete dies damit, die Versicherte hätte im Gesundheitsfall ihr Erwerbspensum von 50% auf 80% erhöht, womit ein Revisionsgrund vorgelegen habe. Gemäss dem polydisziplinären Gutachten sei eine leidensangepasste Tätigkeit zu 90% zumutbar.
schadenanwaelte machte für die Versicherte vor Versicherungsgericht geltend, gemäss dem polydisziplinären Gutachten habe sich der Gesundheitszustand nicht verändert. Dies habe selbst der regionalärztliche Dienst (RAD) der Invalidenversicherung bestätigt. Es fehle damit an einem Revisionsgrund, wenn die Sachverhaltsänderung lediglich auf einer Veränderung des Berufspensums im Validenfall basiere.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau bestätigte in seinen Erwägungen explizit die von uns vertretene Ansicht. Die Richter suchten indessen nach Anhaltspunkten für einen anderen Revisionsgrund. Dabei stiess das Gericht darauf, dass gemäss dem neuen polydisziplinären Gutachten erst nach der anspruchsbegründenden Verfügung eine neue Diagnose gestellt worden war und folgerte dass damit eine anspruchsrelevante Veränderung des Sachverhalts eingetreten sei. In der Konsequenz schützte das Versicherungsgericht den Entscheid der Invalidenversicherung und bestätigte die Aufhebung der Rente.
Auf unsere Beschwerde hin hat das Bundesgericht nun mit Urteil vom 12. Juni 2019 festgehalten, dass eine Diagnose nicht per se einen Revisionsgrund darstellt. Vielmehr ist relevant, ob eine neue oder weggefallene Diagnose eine veränderte gesundheitliche Situation ergibt, welche den Rentenanspruch berühren. Es kommt damit nicht auf die Diagnose an, sondern auf deren Auswirkung. In vorliegendem Fall waren die Auswirkungen bereits bei der ersten Rentenzusprechung vorliegend, auch wenn die exakte Diagnose erst später gestellt wurde. Der Gesundheitszustand hat sich während der Jahre nicht verändert, was sowohl Hausarzt wie auch der RAD-Arzt festgehalten hatten. Das Bundesgericht hat den vorinstanzlichen Entscheid aufgehoben und die Versicherte erhält weiterhin eine volle Rente.