Zugentgleisung im Gotthard-Basistunnel – wer haftet für den Schaden?
29. August 2023
Die beiden Gotthardröhren bleiben nach dem Unfall, den ein Güterzug am 10.8.2023 verursachte, bis 2024 gesperrt. Die entstandenen und entstehenden Schäden werden sich auf Millionen belaufen (vgl. die entsprechenden Beiträge u.a. in der NZZ, auf Watson wie auf Wikipedia).
Die NZZ schrieb bereits am 18.8.2023, es dürfte wohl ein langer Rechtsstreit drohen, bis die Frage der Haftung letzten Endes geklärt sei. Fakt ist, dass das Rollmaterial im vorliegenden Fall offenbar von verschiedenen Unternehmen im In- und Ausland kam und dies von der SBB Cargo AG für den Gütertransport eingesetzt wurde. Schäden sind an der Infrastruktur, an den Güterwagen sowie am geladenen Gut entstanden. Personen haben sich glücklicherweise keine verletzt. Dies zeigt der Vorbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST), welche nach Unfällen und schweren Vorfällen umfassende Untersuchungen über die Umstände, den Verlauf und die Ursache durchführt.
Wer für einen solchen Schaden haftet, ist im Eisenbahngesetz (EBG) normiert.
Art. 40b EBG besagt, dass der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens für denjenigen Schaden (Personen- oder Sachschaden) haftet, welcher durch die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn einhergehen, entsteht. Es handelt sich um eine strenge Kausalhaftung.
Das Handelsgericht Bern kam z.B. erst kürzlich in einem Urteil vom 24.5.2022 zum Schluss, dass ruckartige Bewegungen beim Überfahren einer Weiche zum Risiko des Bahnbetriebs gehören. Gemäss Gesetz haftet die Bahn somit, wenn jemand aufgrund dieser ruckartigen Bewegungen umfällt und sich verletzt (vgl. Newsletter Beitrag vom 25.4.2023).
Auch bei Gütertransporten gilt es, für die ausservertragliche Haftung die Bestimmungen des EBG heranzuziehen (Art. 7 Gütertransportgesetz).
Im vorliegenden Fall wurde der Transport von der SBB Cargo AG organisiert und durchgeführt. Das Rollmaterial war hingegen nicht das firmeneigene.
Sowohl die Rechtsprechung wie auch die Lehre sind sich darüber einig, dass es sich beim sog. «Inhaber der Eisenbahnunternehmung» um denjenigen handelt, «auf dessen Rechnung und Gefahr» der Betrieb der Eisenbahn «im Zeitpunkt des Unfalls geführt» wird (u.a. BGE 102 II 25; Oftinger/Strak II/3, S. 16). Dabei kommt es nicht darauf an, wem die Bahnanlage oder die Transportmittel (hier z.B. die Güterwagen) tatsächlich gehören (vgl. BGE 82 II 69, E. 4).
Somit hat die SBB Cargo AG, sollte sie wie im Vorbericht publiziert für den Betrieb verantwortlich gewesen sein, für den verursachten Schaden an der Infrastruktur vollumfänglich einzustehen (vgl. dazu auch die Berichte auf SRF und im Blick). Kniffliger könnte es hingegen bei der Haftung für das zerstörte Transportgut werden. Diesbezüglich kommen die spezifischen Regeln zur Haftung des Frachtführers zur Anwendung (Art. 447 und 448 OR). Die Haftung ist wie im Auftragsrecht geregelt und lässt somit unter gewissen Umständen auch eine Haftungsbefreiung zu (Art. 97 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR und Art. 440 Abs. 2 OR). Zusätzlich können spezifische vertragliche Regelungen Relevanz haben.