Vorsicht bei Abklärungen zu Hause: vergessen Sie auch die (scheinbar) kleinen Details nicht!

5. April 2024

Die Betreuung und Pflege von schwer behinderten Familienmitgliedern zu Hause ist nicht nur emotional und physisch belastend, sondern nicht selten auch teuer. Gerade bei der Betreuung von schwer behinderten Kindern übernehmen häufig die Eltern den Grossteil der nichtmedizinischen Betreuung. Dadurch entstehen einerseits direkte Kosten wie beispielsweise die behindertengerechte Ausstattung (allenfalls Umbau) des Familienheims oder die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel. Es entstehen jedoch auch indirekte Kosten, indem ein oder beide Elternteile ihre Arbeitstätigkeit reduzieren oder gänzlich aufgeben. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass die zur Verfügung stehenden Versicherungsleistungen korrekt bemessen werden. Dies sei am folgenden Beispiel erläutert.

Bei schwer behinderten Minderjährigen können neben den Leistungen der Krankenversicherung auch diverse Leistungen der Invalidenversicherung beantragt werden. Beispielweise bezahlt die Invalidenversicherung eine Hilflosenentschädigung, wenn das behinderte Kind (auch für Erwachsene vorgesehen) in den alltäglichen Lebensverrichtungen eingeschränkt ist. Entsteht bei Minderjährigen aufgrund der Art der Behinderung ein besonders hoher täglicher Betreuungsaufwand von mindestens 4 Stunden für die nicht medizinische Betreuung, besteht auch Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag (Art. 42ter Abs. 3 IVG und Art. 39 IVV).

Um den Betreuungsaufwand festzustellen, führt die Invalidenversicherung beim behinderten Kind eine Abklärung durch, wo der Mehraufwand für die Betreuung in den alltäglichen Lebensverrichtungen (Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Überwachung etc.) festgestellt wird. Bei der Abklärung wird der konkrete Minutenaufwand für die Hilfestellung in jeder Lebensverrichtung ermittelt und festgehalten.

In einem von schadenanwaelte geführten Verfahren verneinte die IV-Stelle Luzern bei unserem schwer behinderten minderjährigen Klienten den Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag mit der Begründung, dass der tägliche Mehraufwand für die Betreuung bei lediglich 3 Stunden und 38 Minuten liege und die Erheblichkeitsschwelle von 4 Stunden damit nicht erreiche. Dieser Entscheid wurde auf Beschwerde hin vom Kantonsgericht Luzern mit der Begründung aufgehoben, dass der Abklärungsbericht in einigen Punkten unvollständig ist. Beispielsweise wurde nicht festgehalten, wie viele Mahlzeiten am Tag eingenommen werden und wie viel Hilfe die Eltern bei den Mahlzeiten leisten müssen. Auch wurde der Mehraufwand bei der Körperpflege nur ungenügend ermittelt. Insgesamt erhöhte das Gericht den Betreuungsaufwand auf über 4 Stunden, womit unserem Klienten ein Intensivpflegezuschlag bezahlt werden muss.

Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist bei solchen Abklärungen vor Ort penibel alles Relevante zu nennen, auch wenn die Abklärungsperson nicht danach fragt. Ebenfalls muss der erstellte Bericht im Nachgang immer auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert werden. Auslassungen, auch wenn sie noch so unbedeutend erscheinen, können einschneidende finanzielle Folgen nach sich ziehen.

Urteil Kantonsgericht Luzern vom 4.3.2024

RA Stephanie C. Elms