Tages-Anzeiger vom 14. Februar 2012: „Der italienische Staatsanwalt plant bereits die nächsten Asbest-Prozesse“

Italienischer Asbestprozess zeigt das Unvermögen der Schweizerischen Justiz, die Asbestproblematik inhaltlich anzugehen.

In Turin, Italien wurde der Unternehmer Stephan Schmidheiny zusammen mit dem belgischen Baron De Cartier wegen Sicherheitsmängel der Eternit Italia Spa. zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt.

Allein im Zusammenhang mit der Produktionsstätte Casale Monferato werden über 3’000 Tote beklagt. Die Unternehmer Schmidheiny und De Cartier waren nicht im Direktorium der Eternit Italia Spa, sondern wurden als entscheidtragende Investoren belangt, was in Europa erstmals geschehen ist und, nebst globalisierten Gewinnströmen, auch auf eine globalisierte Verantwortung schliessen lässt.

Der Prozess in Italien konnte – anders als in der Schweiz, wo das Bundesgericht in den von uns geführten Prozessen die Verjährungseinrede zuliess – geführt werden, weil Italien den Verjährungsbeginn richtigerweise erst ab Auftritt der Krankheit oder Eintritt des Todes ansetzt.Brisant: Viele Eternit Arbeiter aus der Schweiz sind nach ihrer Pensionierung nach Italien zurückgekehrt und unterstehen so der italienischen Justiz.

Der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guarinello will nun auch dieser Fälle annehmen, mit der Konsequenz, dass die Schweizerischen Produktionsverhältnisse bei der Eternit und bei der für die Sicherheit verantwortlichen SUVA nun (endlich) gerichtlich untersucht werden.Ironie daran: die von uns Schweizern oftmals viel geschmähte italienische Justiz wird den in der Schweiz verursachten Asbestopfern gerecht, währenddessen die Schweizer Justiz sich für die gleichen Sachverhalte hinter der Verjährung versteckt.

RA David Husmann, Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Asbestopfer und Angehörige begrüsst die Tatsache, dass die italienische Justiz in relativ kurzer Zeit ein Urteil gefällt hat, auch wenn er die Ansicht vertritt, das Strafrecht sei hiefür ein bloss bedingt taugliches Mittel.Richtiger wäre es, die Opfer endlich finanziell angemessen zu entschädigen.