Beobachter 16.07.2020, wenn Tiere einen Schaden anrichten
Tritte, Bisse, Kollisionen: Wenn Tiere Schaden verursachen, haften Besitzer nicht immer. Warum, zeigen 4 Fallbeispiele.
Ein entlaufenes Pferd veränderte das Leben von Enrico Matter* für immer. An einem Augustmorgen im Jahr 2013 gelangte es auf die Landstrasse, auf der er mit dem Töff fuhr. Es kam zur Kollision. Matter verbrachte fast eineinhalb Jahre im Spital. Seine rechte Körperhälfte ist gelähmt, täglich quälen ihn grosse Schmerzen, er ist zu 100 Prozent invalid. «Nichts ist mehr so, wie es einmal war», sagt seine Frau Romina*. Matter verklagte den Pferdehalter auf Halter haften zwar für den Schaden, den ihre Tiere anderen verursachen – grundsätzlich unabhängig von ihrem eigenen Verschulden. Wenn ein Halter aber nachweisen kann, dass er die gebotene Sorgfalt angewandt und das Tier genügend beaufsichtigt hat oder dass der Schaden auch bei genügender Sorgfalt eingetreten wäre, haftet er nicht.»
Zaun zu tief, aber…
An diesem gesetzlichen Entlastungsbeweis scheitern immer wieder Klagen gegen Tierhalter. Auch bei Enrico Matter. Das Gericht stellte zwar fest, dass der Pferdehalter unsorgfältig gehandelt habe, weil er den elektrischen Weidezaun tiefer gespannt hatte als die empfohlenen 140 Zentimeter. Das Gericht kam aber zum Schluss, dass das Pferd auch bei dieser Höhe ausgebrochen wäre – weil es wegen einer Kuhherde in Panik geraten sei, die in der Nacht offenbar auf die Pferdeweide gelangt war. Der Pferdehalter konnte sich erfolgreich von einer Schadenersatzpflicht entlasten.
Für das Ehepaar Matter ist das unverständlich. Ein Schock auch, dass Matters dem Pferdehalter nun auch noch Partei- und Prozessentschädigung bezahlen müssen, weil sie verloren haben. Romina Matter sagt: «Und wer entschädigt mir all den Pflegeaufwand , den ich seit dem Unfall tagtäglich leiste? Ich bin enttäuscht von den Gesetzen und Gerichten in diesem Land.»
Anwalt Riesens Bilanz: «Die Geschädigten müssen die Folgen tragen, nicht die Tierhalter. Obwohl von Tieren ohne Zweifel eine generelle Gefahr ausgeht – zumindest von grösseren.»
Hundehalter werden oft «stigmatisiert»
Vor allem wo der Grünraum knapp ist, gibt es Konflikte zwischen Mensch und Tier. «Hundehalter fühlen sich oft geradezu stigmatisiert», sagt Christine Künzli von der Stiftung für das Tier im Recht. «Dabei gibt es kaum noch Gebiete, wo man den Hund frei laufen lassen kann. Die Gesellschaft muss aber auch die Bedürfnisse der Tiere akzeptieren.»