SEV Zeitung vom 7. November 2019; «Man will die Asbesttragödie nicht sehen» Interview mit Martin Hablützel

Der Zürcher Anwalt Martin Hablützel vertritt regelmässig Asbestopfer. Wir sprachen mit ihm angesichts der Aktualität des Themas bei der SBB.

Die Schweiz tut sich mit dem Thema Asbest unglaublich schwer. Woran liegt das?

Martin Hablützel: Die Schweiz hat erstens eine Reduit-Mentalität. Man zieht sich bei Krisen sehr lange zurück und vertraut darauf, dass sich das Problem von alleine löst. Beim Asbest brauchte es den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der entschied, eine Sache könne nicht verjährt sein, bevor jemand überhaupt von seiner Krankheit Kenntnis hat. Ein zweiter Punkt ist der Arbeitsfrieden. Man schützt sehr stark die Unternehmungen und die Unternehmer. Man will der Verantwortung nicht auf den Grund gehen.

Weshalb sind Verkehrsunternehmen wie SBB und BLS so stark betroffen? Eigentlich ist Asbest ja ein Baustoff.

Wegen der möglichen Hitzeentwicklung hat man in den Bahnen unter anderem in Zwischenwänden und Elektrokästen Asbest verwendet. Die grössten Probleme entstanden dann bei Revisionen, also beim Einbau neuer Elektrik oder neuer Lüftungsschächte. Dazu kommt, dass alle Wagen am selben Ort saniert wurden, in Werkstätten wie Bönigen der BLS oder Bellinzona der SBB, über Jahrzehnte hinweg.

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