Schadenersatzansprüche wegen Luftverschmutzung?

1. Mai 2024

Die Umwelt, in der wir leben, beeinflusst unsere Gesundheit. Sonnenbrand, Allergien, Hörschäden durch zu laute Musik oder Atembeschwerden aufgrund verschmutzter Luft sind nur einige Beispiele dafür, wie die Umwelt unserer Gesundheit schaden kann. Nur verschmutzt die Luft sich ja nicht von selbst. Vielmehr wird diese Verschmutzung unter anderem durch Abgase der Verkehrswirtschaft angekurbelt.

Aus diesem Grund hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Dezember 2022 mit der Frage befasst, ob man vom Staat Schadenersatz verlangen kann, wenn man wegen verschmutzter Luft krank geworden ist. Das Urteil (Urt. v. 22.12.2022, Rs. C-61/21) hält fest, dass die europäischen Richtlinien zur Luftqualität dem Einzelnen keine Rechte verleihen, aus denen er einen Schadenersatzanspruch ableiten könne. Den Betroffenen muss jedoch ermöglicht werden, dass sie erreichen können, dass nationale Behörden Massnahmen für saubere Luft ergreifen.

Nicht einmal zwei Jahre später hat der EU Rat und das EU Parlament in der Plenarsitzung vom 22. bis 25. April 2024 festgelegt, dass sie für das Jahr 2030 strengere Grenz- und Zielwerte für mehrere Schadstoffe mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen vorsehen, darunter Feinstaub und Partikel (PM 2.5 und PM 10), Stickstoffdioxid (NO2) und Schwefeldioxid (SO2). Zudem haben die von der Luftverschmutzung Betroffenen neuerdings einen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber dem Staat, wenn (1) dieser gegen die Vorschriften verstossen hat und (2) die Gesundheit der Betroffenen geschädigt wurde. Damit wird eine neue Haftungsgrundlage im Europäischen Raum geschaffen und dadurch einen direkten Anspruch für Geschädigte gegenüber dem Staat.

Die Schweiz ist nicht an diese Richtlinie oder an die Luftqualitätsrichtwerte der EU gebunden. Hierzulande werden die WHO-Leitwerte als wissenschaftliche Grundlage herangezogen. Ein Expertengremium schlägt auf dieser Grundlage die Grenzwerte dem Bundesrat vor, der diese in einer Verordnung beschliesst. Somit bleibt noch offen, ob und wenn ja, inwieweit die neuen Regelungen der EU sich auch in der Schweiz abzeichnen lassen werden. Für Geschädigte könnte eine solche Regelung aber den Weg zu Schadenersatzansprüchen ebnen. 

MLaw Livia Ulrich
RA Ulrich Kurmann