NZZ am Sonntag, vom 7.4.13, Hüft-Patient erhält acht Millionen Dollar
Ein US-Gericht hat Johnson & Johnson wegen schadhafter Hüftprothesen verurteilt. Tausende weitere Klagen sind hängig, darunter auch Fälle von Schweizer Patienten.
Auf die Orthopädie kommt ein neuer Haftungsfall für Hüftprothesen zu, der alle bisherigen Dimensionen sprengen könnte. Betroffen ist diesmal nicht ein Produkt, sondern eine ganze Produh.1:klasse: Vollmetall-Prothesen. Eine halbe Million davon WUrden laut Schätzungen seit Mitte der 1990er Jahre eingesetzt. überdurchschnittlich viele mussten nach Komplikationen vorzeitig entfernt werden. Am stärksten im Fadenkreuz steht Marktführer Johns@n & Johnson (J&J). Allein 10’750 Amerikaner haben den Gesundheitsriesen verklagt, zu dem seit kurzem auch die vormalige Schweizer Firma Synthes gehört. Analysten schätzen, dass die Rechtsfälle den US-Konzern mehrere Milliarden Dollar kosten könnten.
Anfang März errang in den USA ein erster Patient vor Gericht einen Sieg. J&J muss dem pensionierten Gefängniswärter 8,3 Mio.$ zahlen: 8 Mio. davon für körperliche und emotionale Leiden, den Rest für Behandlungskosten. Der 65-Jährige schilderte der Jury, wie er wegen heftiger Schmerzen nicht mehr habe gehen können und sich die Prothese entfernen lassen musste.
Am Prozess kamen interne Dokumente ans Licht, die J&J belasten. In einer E-Mail informierte ein Manager seine Kollegen im Juni 2007, Prothesen des Typs ASR seien bei klinischen Vergleichstests mit anderen firmeneigenen Implantaten durchgefallen. 2009 warnte eine Managerin, in einer «signifikanten Zal1l» von Fällen hätten ASRProthesen wegen Komplikationen vorzeitig entfernt werden müssen, heisst es in Dokumenten, welche die «New York Times» auf ihrer Website aufgeschaltet hat. Ausserdem rechneten Führungskräfte durch, zu welchem Zeitpunh.1: der Verkauf idealerweise gestoppt werden sollte, damit die Firma möglichst viele Patienten halten kann.
Die Korrespondenz kontrastiert mit öffentlichen Aussagen der Verantwortlichen. J&J hatte stets betont, Vollmetall-Prothesen seien sicher. Erst Mitte 2010 nahm der Konzern zwei Gelenke weltweit vom Markt – freiwillig, wie es hiess. Klinische Daten hatten überhöhte Chrom- und Kobalt-Werte im Blut zutage gebracht, weil Metallabrieb das umliegende Gewebe beschädigt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten 93 000 Patienten ein solches Gelenk erhalten.