Impfschäden: In welchen Fällen haften die Impfstoffhersteller?
14. September 2021
Geimpft, getestet, genesen. Die 3Gs sind in der aktuellen Situation nicht mehr wegzudenken. Im Zusammenhang mit den Impfungen sind bereits erste Fälle von Personen bekannt, die nach der Impfung nicht bloss unter den mittlerweile bekannten Nebenwirkungen, sondern unter schwerwiegenderen gesundheitlichen Folgen litten. Wie etwa der Tagesanzeiger kürzlich berichtet hat, musste ein 21-jähriger Mann nach der ersten Impfung wegen einer Herzmuskelentzündung hospitalisiert werden. In solchen Fällen stellt sich u.a. die Frage, ob die Impfhersteller haften. Wie der folgende Beitrag zeigt, ist eine Haftung in bestimmten Konstellationen möglich, doch werden die Hersteller nicht für die Schäden aufkommen müssen.
Der mit der Impfung verabreichte Wirkstoff gilt als Heilmittel gemäss dem Heilmittelgesetz. Dieses sieht vor, dass der Hersteller von Heilmitteln alle Massnahmen zu treffen hat, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die menschliche Gesundheit nicht gefährdet wird. Dabei sind die Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Dies hat u.a. zur Folge, dass die Geimpften im Falle eines Herstellers, der einen hochwirksamen Impfstoff entwickelt, höhere Risiken hinnehmen müssen, die auch in der kurzen Entwicklungsdauer des Impfstoffs liegen können. Neue Erkenntnisse zu möglichen gesundheitlichen Schäden, die während der Entwicklung gewonnen wurden, sind bei der weiteren Herstellung der Impfstoffe fortlaufend zu berücksichtigen. Trifft der Hersteller nicht alle notwendigen Massnahmen, kann ihn eine Haftung aus Verschulden (Art. 41 OR) treffen.
Eine Haftungsgrundlage kann auch das Produktehaftpflichtgesetz bilden, wobei sich bei der hier interessierenden Thematik ähnliche Fragen stellen werden. Ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang wird insbesondere die Möglichkeit des Herstellers sein, sich unter Hinweis auf das sogenannte Entwicklungsrisiko zu entlasten. Dieser Entlastungsgrund kommt insbesondere bei neuen Produkten (wie etwa dem verwendeten mRNA-Impfstoff) Bedeutung zu und ermöglicht dem Hersteller nachzuweisen, dass er nach dem jeweils aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennen konnte, dass sein Produkt zu bestimmten Gesundheitsschäden führen kann.
Mithin ist es möglich, dass die Impfstoffhersteller bei negativen Impffolgen haften. In welchen Konstellationen dies der Fall ist, werden erst künftige Fälle zeigen. Da bei der Prüfung einer möglichen Haftung relevant ist, ob neue (wissenschaftliche) Erkenntnisse in ausreichendem Mass in die weitere Produktion eingeflossen sind, ist es insbesondere denkbar, dass eine Haftung gegenüber später geimpften Personen bejaht und gegenüber am Anfang Geimpften verneint wird. Marcel Lanz hat sich zur Haftungsthematik ausführlich im Jusletter vom 8. Februar 2021 geäussert [zum Abruf des Beitrags ist ein Jusletter-Abo erforderlich].
Selbst wenn eine Haftung vorliegt, dürften die Impfstoffhersteller jedoch nicht zur Kasse gebeten werden können. Wie Journalistenrecherchen ergeben haben (s. etwa den Beitrag der ARD-Tagesschau vom 19.3.2021 oder den Beitrag von Urs P. Gasche im Infosperber vom 23.8.2021), wurde etwa in einem Vertrag zwischen der EU und AstraZeneca vereinbart, dass die Mitgliedstaaten für die Schäden aufkommen und die Hersteller entsprechend schadlos halten müssen, falls diese eine Haftung trifft. Es ist anzunehmen, dass auch mit weiteren Impfstoffherstellern solche Verträge abgeschlossen wurden. Das schweizerische Epidemiengesetz räumt dem Bund explizit die Möglichkeit zum Abschluss solcher Verträge ein.
Schliesslich hält das Epidemiengesetz auch fest, dass Personen, die wegen behördlich angeordneten oder empfohlenen Impfungen geschädigt werden, Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung gegenüber dem Bund haben; dies jedoch nur insoweit, als der Schaden mit zumutbaren Bemühungen nicht anderweitig gedeckt werden kann. Nach dieser Regelung müsste mithin zunächst versucht werden, vom Impfstoffhersteller eine Entschädigung erhältlich zu machen, bevor an den Bund gelangt werden kann. Falls der Bund die Impfstoffhersteller ebenfalls schadlos halten wird und da es für Geschädigte wohl schwierig werden sowie mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sein dürfte, erfolgreich gegen einen Hersteller zu klagen, wäre eine unkomplizierte Schadenregulierung durch den Bund wünschenswert. Wie solche Fälle jedoch konkret von den damit befassten Behörden gehandhabt und welche Schritte von geschädigten Personen vorzunehmen sein werden, wird die künftige Praxis erst noch zeigen.