Haftung in der Schweizer Luftfahrt: Rechtliche Aspekte bei Luftballonunfällen

12. September 2023

Nachdem es in der Luftfahrt in den Jahren der Pandemie zu einem Rückgang von Unfällen kam, ist das Niveau heute wieder ungefähr dort, wo es vorher war (vgl. Jahresberichte SUST 2021). In den vergangenen Monaten kam es in der Schweiz zu mehreren Unfällen mit Luftballonen, bei denen Menschen verletzt oder sogar getötet worden sind (s. die Artikel auf nau.ch, zentralplus.ch und 20min.ch). Dabei stellen sich immer auch haftpflichtrechtliche Fragen. Was es dabei zu beachten gilt, zeigt der vorliegende Beitrag auf.  

Unfälle mit Personenschäden führen in der Schweiz stets zu umfassenden Untersuchungen, welche die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) im Auftrag des Bundesrates durchführt. Dabei geht es vordergründig darum, die Umstände und die Ursachen zu klären, damit ähnliche Vorfälle künftig möglichst vermieden werden können. Schuld und Haftung sind nicht Gegenstand der Untersuchung. Letzteres wird von der Staatsanwaltschaft (Schuld) bzw. vom Zivilgericht (Haftung) beurteilt.  

In der Schweiz unterliegt die Haftung in der Luftfahrt bestimmten Regeln, welche auch für Luftballone gelten (s. Luftfahrtgesetz (LFG), Luftfahrtverordnung (LFV), Verordnung über den Lufttransport (LTrV). Grundsätzlich trägt der Betreiber (sog. Luftfrachtführer) eines Luftballons die Verantwortung für Schäden, die durch dessen Betrieb verursacht werden (Art. 64 LFG; Art. 7 LTrV). Die Haftung erstreckt sich auf Personen-, Sach- und Umweltschäden von Dritten am Boden, aber auch auf Passagiere und mitgeführte Sachen. Von der Haftung befreien kann sich ein Betreiber nur sehr begrenzt und somit wohl selten (s. u.a. Art. 7 Abs. 3 LTrV; Art. 8 LTrV).  

Die Abwicklung von Haftpflichtfällen in der Luftfahrt dauert in der Schweiz erfahrungsgemäss sehr lange. Oft muss die SUST sehr komplexe Flugunfalluntersuchungen durchführen. Unabhängig von der Dauer dieser Untersuchungen können Verjährungs- und Verwirkungsfristen bereits vorher enden, was zur Nichtdurchsetzbarkeit der Schadenersatz- und Genugtuungsansprüchen der Betroffenen führt. Die massgebenden Fristen sind deshalb von Anfang an im Auge zu behalten.  

Falls es sich um einen rein nationalen Sachverhalt handelt, bei dem ein Luftballon oder ein anderes sich im Fluge befindliches Luftfahrzeug eine Person oder Sache auf der Erde verletzt bzw. beschädigt, verweist das Gesetz bei der ausservertraglichen Haftung (Art. 68 LFG) auf die geltenden Verjährungsfristen gemäss Obligationenrecht (Art. 60 OR sieht eine relative Verjährungsfrist von drei Jahren und eine absolute Verjährungsfrist von 10 oder 20 Jahren vor je nachdem ob nur Sach- oder auch Körperschäden vorliegen). Wenn ein Passagier beim Flug oder beim Ein-/Ausstieg selber zu Schaden kommt, gilt es betreffend Fristen grundsätzlich die LTrV zu beachten (Art. 1 LTrV). Gemäss Art. 14 LTrV muss eine Klage auf Schadenersatz «binnen zweier Jahre nach Ankunft am Bestimmungsort oder nachdem das Flugzeug hätte ankommen sollen oder nachdem die Beförderung abgebrochen worden ist, erhoben werden». Diese Frist ist zentral. Wird sie verpasst, verwirken sämtliche Ansprüche der Betroffenen oder Angehörigen.  

Je nach Sachverhalt können auch vertragliche Haftungen oder solche nach Produktehaftpflichtgesetz in Frage kommen, wobei wiederum die diesbezüglich geltenden Verjährungs- und Verwirkungsfristen zu beachten sind.

Bei internationalen Flugverbindungen sollte umgehend geprüft werden, ob das Montrealer Übereinkommen einschlägig ist. Auch dieses sieht eine Verwirkungsfrist von zwei Jahren vor. Innerhalb dieser Frist muss somit wiederum eine Klage erhoben werden, damit die Ansprüche durchgesetzt werden können (Art. 35 MÜ; s. auch unsere News vom Februar 2018).  Auch zu beachten bleibt bei Körperschäden die Frist zum Stellen eines Strafantrages, die in der Schweiz drei Monate beträgt (Art. 31 StGB).  

Im Zusammenhang mit Luftfahrtunfällen empfehlen wir aufgrund der dargelegten Komplexitäten umgehend rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.