Haftung bei unterlassener Schneeräumung

4. Februar 2021

Magisch und eindrücklich zugleich waren die Schneemassen, die uns im Januar in eine leicht verspätete weihnachtliche Stimmung versetzten. Wer trotz Homeoffice die eigenen vier Wände verliess, dürfte jedoch schnell bemerkt haben, dass der Traum in weiss auch seine Tücken hat: Rutsch- und Sturzgefahr garantiert! Doch wer haftet, wenn wir ins Schleudern geraten?

Strassen, Trottoirs, Parkplätze oder Unterführungen gelten als Werke gemäss Art. 58 des Obligationenrechts. Haftbar ist jeweils der Eigentümer des entsprechenden Werks, wenn das Werk Mängel aufweist oder er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Eigentümer kann eine Privatperson, ein privates Unternehmen oder auch das Gemeinwesen sein. Es ist deshalb in jedem Fall vorgängig sorgfältig zu prüfen, wer als Anspruchsgegner in die Pflicht genommen werden könnte. Sind die Eigentumsverhältnisse nicht klar, empfiehlt es sich, diese mittels Grundbuchauszügen zu klären.

Welche Vorkehrungen muss nun aber die Eigentümerin treffen, um gefährliche Stürze zu vermeiden? Ein mangelhafter Unterhalt bzw. Werkmangel liegt grundsätzlich dann vor, wenn das Werk dem Benutzer keine ausreichende Sicherheit bietet. Der Eigentümer muss aber nur die Sicherheitsmassnahmen ergreifen, die ihm zumutbar sind. Dies ist in jedem Fall aufgrund der jeweiligen Umstände vor Ort von Neuem zu beurteilen. Das Bundesgericht hat zu dieser Frage in zahlreichen Urteilen diverse Kriterien entwickelt, an welchen man sich orientieren kann. Drei Beispiele, die private Werkeigentümer betrafen, seien hier erwähnt:

An die Sicherheit öffentlicher Gebäude oder privater Gebäude mit regelmässigem Publikumsverkehr hat das Bundesgericht sehr hohe Anforderungen gestellt. So war etwa eine Eigentümerin eines Ladens haftbar, obschon sie Eis, das sich durch vom Dach heruntertropfendes Wasser vor der Ladeneingangstüre gebildet hatte, wegpickelte und wiederholt Salz streute. So liess sich die Gefahr nach Ansicht des Bundesgerichts nicht definitiv beheben und der Eigentümerin wurde vorgeworfen, nicht zusätzlich noch ein Warnschild angebracht zu haben (s. BGE 118 II 36). Auch ein Hotelparkplatz wurde als mangelhaft qualifiziert, obschon am Unfalltag während einer Stunde der Neuschnee geräumt wurde, ohne aber zu salzen. Da der im weiteren Tagesverlauf erfolgte Schneefall am Abend wegen Minustemperaturen zu Eisbildung führte, hätte der Eigentümer mehrmals täglich salzen oder bezüglich der Rutschgefahr ein Hinweisschild anbringen müssen (s. BGer 4C.150/2003). Als ausreichend wurde es demgegenüber erachtet, wenn der Hauswart bei einem schneebedeckten und vereisten Gehweg in einem Quartier jeden Tag zwischen 4.00 Uhr und 21.00 Uhr regelmässig im Abstand von ein bis drei Stunden Kontrollgänge durchführt und nach Bedarf salzt oder splittet (s. BGer 4A_114/2014).

Inwieweit das Gemeinwesen generell im Innern von Ortschaften Massahmen zu treffen hat, um Fussgänger auf Trottoirs, Wegen oder Strassen vor ungewollten Stürzen zu schützen, hängt wiederum von den Umständen des einzelnen Falles ab. Entscheidend ist dabei insbesondere, wie rege der Fussgängerverkehr ist und in welchem Masse den Fussgängern eigene Schutzvorkehren zugemutet werden können. So hat das Bundesgericht etwa bezüglich der Gemeinde St. Moritz bereits vor langer Zeit einmal entschieden, dass sich auf der stark begangenen Via Maistra bei Neuschnee von 11 cm Ende Dezember ein hartgetretener und glitschiger Schneebelag bildete, wogegen geringfügiges Splitten und Sanden nicht ausreichend Abhilfe schaffte, weshalb eine Haftung der Gemeinde bejaht wurde (s. BGE 89 II 331).

Hingegen musste in einem Aussenquartier bei seit Tagen anhaltendem starkem Schneefall eine stark benutzte Treppe, die zu einer Bushaltestelle und einer Schule führte, nicht mit erster Priorität geräumt werden. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass der eiserne Handlauf zu Hilfe genommen werden könne und geeignetes Schuhwerk und Handschuhe zu tragen seien. Ausserdem war die Bushaltestelle unter Umgehung der Treppe über andere Wege zu erreichen und befand sich ausserhalb des stark frequentierten Stadtkerns (s. BGer 4A_20/2009).

Alle diese Beispiele zeigen, dass nach einem Sturz auf verschneitem oder vereistem Untergrund am Anfang oft nicht klar ist, ob jemand haftet. In vielen Fällen wird die Haftung von den involvierten Haftpflichtversicherungen denn anfänglich auch bestritten. schadenanwaelte empfiehlt, in solchen Fällen rechtlichen Rat einzuholen.