Das Verfahren bei Streitigkeiten aus Krankentaggeldversicherungen nach VVG, Anwaltsrevue 2016, S. 402, zusammen mit Patrick Wagner.

Stichworte: Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung, Krankentaggeld, vereinfachtes Verfahren, mündliches Verfahren

Wohl in keinem anderen Rechtsgebiet war das Verfahren vor Inkrafttreten der eidg. ZPO in den Kan- tonen derart unterschiedlich geregelt, wie bei jenen Verfahren, die heute als «Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung» qualifiziert werden. In der Praxis geht es dabei vor allem um Verfahren zur Durchsetzung von Forderungen aus Krankentaggeldversicherungen nach VVG. Wegen der grossen Verbreitung von Krankentaggeldversicherungen, der zunehmenden «Verhärtung der Fronten» zwischen Versicherten und Versicherungen und des meistens nur zweistufigen Instanzenzugs konnte sich in den seither vergangenen Jahren bereits eine gewisse Praxis zu den verschiedenen, sich stellenden Verfahrensfragen bilden, die nachfolgend dargestellt werden soll.

Forderungen, welche heute als solche aus «Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung» qualifiziert werden, gab es selbstverständlich bereits vor Inkrafttreten der eidg. ZPO. Die Vielfalt der Verfahren zu ihrer gerichtlichen Durchsetzung ergab sich dabei nicht nur aus der Verschiedenartigkeit der kantonalen Zivilprozessordnungen selber, sondern auch daraus, dass diese an der Schnittstelle zwischen Sozialversicherungs- und Zivilrecht einzuordnenden Ansprüche auch verfahrensrechtlich mal dem einen, mal dem andern Rechtsgebiet zugeordnet wurden.

Die ZPO erwähnt diese «Streitigkeiten» in nur vier Artikeln.1 Eine Definition oder sonstige Umschreibung, welche Forderungen nun genau unter diese Kategorie fallen, findet sich aber weder im Gesetz noch in der Botschaft, und auch in der Rechtsprechung fehlt es bis heute an einer eigentlichen, dogmatischen Definition. Klar ist allerdings, dass das Bundesgericht in ständiger Praxis alle (sowohl Einzel- wie Kollektiv-) Krankentaggeldversicherungen als privatrechtlicher Natur qualifiziert2 bzw. unter den Begriff der «Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung» subsumiert,3 und zwar unabhängig davon, ob diese von einem VVG-Versicherer oder einer Krankenkasse4 angeboten werden. Ob ein von einer Versicherung angebotenes Produkt als «Krankentaggeldversicherung nach VVG» zu qualifizieren ist, wird durch Auslegung der entsprechenden Police und der dazugehörigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zu ermitteln sein. Nach HÄBERLI/ HUSMANN5 «knüpft die eigentliche Taggeldversicherung immer an individuelle Arbeitsunfähigkeiten und deren Dauer (i. d. R. eben in Tagen) an». Dass ein Versicherungsprodukt den Regeln des VVG (und nicht des KVG) unterstellt wird, ergibt sich meist explizit aus dessen Namen, auf jeden Fall aber aus den dazugehörigen AVB.