Berufliche Vorsorge: Aktuelles vom Bundesgericht und Parlament zum Vorbezug zur Finanzierung von Wohneigentum

30. März 2022

Wer Wohneigentum zum eigenen Bedarf erwerben möchte, kann zur Finanzierung der Eigenmittel ganz oder teilweise auf sein Vorsorgeguthaben zurückgreifen. Der Vorbezug darf dabei einzig zur Finanzierung von Wohneigentum zum eigenen Bedarf verwendet werden. Wird das Wohneigentum veräussert, muss der bezogene Betrag zurückbezahlt werden. Wie verhält es sich aber, wenn das Wohneigentum nicht veräussert, sondern nur vermietet wird? Damit hat sich das Bundesgericht vor kurzem befasst. Aktuell wird über die Wohneigentumsförderung zudem auch im Parlament debattiert.

Im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall ging es um eine Frau, welche ihr Vorsorgeguthaben zum Kauf einer Wohnung vorbezogen hatte und diese in der Folge über mehrere Jahre selbst bewohnte. Als sie mit Ihrem Partner zusammenzog, vermietete sie die Wohnung. Die Pensionskasse forderte die Frau auf, das vorbezogene Guthaben zurückzubezahlen, da die Voraussetzung des Eigenbedarfs nicht mehr erfüllt sei.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Pensionskasse ab und stellte fest, der bezogene Betrag müsse nach Art. 30d Abs. 1 BVG dann zurückbezahlt werden, wenn das selbstbewohnte Wohneigentum entweder veräussert oder Dritten daran Rechte eingeräumt werden, welche wirtschaftlich einer Veräusserung gleichkommen. Ein Mietvertrag, welcher das Wohneigentum weder belaste noch verändere, sei wirtschaftlich nicht mit einer Veräusserung vergleichbar. Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhalte der Vermieter die Nutzung der Liegenschaft zum Eigenbedarf zurück, soweit der Mietvertrag unbefristet abgeschlossen und für beide Parteien kurzfristig kündbar sei, womit der Verwendungszweck erfüllt sei. Anders wäre ein Vorbezug dann zu bewerten, wenn dieser von Anfang an einzig zum Zweck einer gewinnorientierten Investition getätigt worden wäre.

Die Wohneigentumsförderung ist aktuell auch Thema im Nationalrat, welcher im März eine Motion der Sozialkommission zur Erleichterung des Erwerbs von Wohneigentum angenommen hat. Die Möglichkeit, Guthaben aus der 2. Säule für den Erwerb von Wohneigentum zu beziehen, sei für viele die einzige Möglichkeit, den Traum nach einem Eigenheim zu verwirklichen. Er fordert deshalb, die seit 2013 geltende Regel, wonach maximal die Hälfte der Eigenmittel von der 2. Säule entnommen werden darf, aufzuheben.

Der Bundesrat begrüsst grundsätzlich die Förderung von Wohneigentum, spricht sich jedoch gegen eine Lockerung der bestehenden Kreditvergabestandards aus. Er befürchtet, dass nach dem Bezug Vorsorgelücken entstehen könnten, welche später aus der Staatskasse gedeckt werden müssen. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet: Mit dem Vorbezug von Vorsorgeguthaben werden die zukünftigen Leistungen gekürzt. Wird das vorbezogene Guthaben nicht zurückbezahlt, resultiert bei Erreichen des Rücktrittsalters eine tiefere Altersrente. Kann das Eigenheim mit der gekürzten Altersrente nicht mehr finanziert werden, wird zumindest ein Teil der Wohneigentümer auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein.

Urteil des Bundesgerichts vom 1. Juli 2021 im Verfahren 9C_293/2020

Motion der Sozialkommission