20 Minuten, Silvio Riesen zum Kinderunfall in Flims

Nach dem tragischen Tod eines 7-jährigen Mädchens stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit. Laut einem Anwalt liegt diese bei den Bergbahnen. Die Statue hätte bei normaler Benutzung niemals umkippen dürfen.

Ein 7-jähriges Mädchen ist gestern bei der Talstation in Flims bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Als es mit einer Holzstatue spielte, stürzte diese um und verletzte es tödlich. Trotz sofortiger Reanimation durch Anwesende und Rettungskräfte erlag das Kind im Kantonsspital Chur seinen Verletzungen. «Die Eltern waren in Sichtkontakt, als der Unfall geschah», sagt Roman Rüegg von der Kantonspolizei Graubünden.

Bei den Holzfiguren bei der Talstation handelt es sich um zwei rund 1,50 Meter hohe und 80 Kilo schwere Statuen, einen Mann namens Ami Sabi und eine Gämse mit dem Namen Camutscha. Die Figuren sind dem Sagenkomplex um Ami Sabi entnommen. Bei der Kindergeschichte von Liedermacher Linard Bardill geht es um Ami Sabi, den Freund des Waldes, der Berge und der Tiere. Mit seiner Hilfe und der seiner Freunde sollten die Kinder im Flimser Schneewunderland Skifahren lernen. 

Mittlerweile sind alle Figuren vom Ort des Unfalls entfernt worden. Wie Rüegg sagt, seien die Holzfiguren nicht zum Spielen gedacht gewesen. «Es handelt sich hier um reine Deko-Elemente», so Rüegg. Der Zugang zu ihnen sei aber nicht abgesperrt gewesen. Die Weisse-Arena-Gruppe, die für die Holzfiguren zuständig ist, will sich auf Anfrage von 20 Minuten nicht äussern.

«Bergbahnen haften für Unfall»

Für Silvio Riesen, der als Rechtsanwalt bei Schadenanwaelte tätig ist, ist klar: «Die Weisse-Arena-Gruppe hat die Figuren aufgestellt und ist daher verantwortlich dafür, dass eine solche Figur einer normalen Beanspruchung standhält und dabei nicht umkippt.» Es sei zu erwarten, dass sich Kinder Figuren, die speziell für sie konzipiert wurden, nähern und vielleicht auch mit ihnen spielen wollen. Dass Kinder von solchen Statuen angezogen werden, sei aufgrund ihres Aussehens normal. «Eine solche Figur sollte selbst dann nicht umkippen, wenn ein Kind daran rüttelt oder sie stossen sollte.»

Bei der strafrechtlichen Untersuchung des Falls werde die Staatsanwaltschaft wohl auch den Vorwurf der fahrlässigen Tötung prüfen, sagt Riesen. Auf zivilrechtlichem Weg stehe den Eltern, die den Tod ihres Kindes hautnah mitverfolgen mussten, eine Genugtuung zu. «Diese beläuft sich gemäss der Gerichtspraxis meist auf einen Betrag zwischen 20’000 und 30’000 Franken.» Zusätzlich könnten die Eltern sogenannte «Schockschäden» geltend machen, wenn sie etwa aufgrund der psychischen Belastung eine Zeit lang nicht mehr arbeiten können.

Für jede Figur eine Risikoabschätzung

Auf Anfrage von 20 Minuten will sich die Beratungsstelle für Unfallverhütung zum konkreten Fall nicht äussern. Sprecherin Mara Zenhäusern sagt: «Generell lässt sich sagen: Wer ein Werk erstellt, aufstellt oder unterhält, muss sicherstellen, dass es standfest und genügend gesichert ist – vor allem gegen Witterungseinflüsse, etwa Wind.» Die Aussage beziehe sich auf den durch die Rechtssprechung entwickelten Gefahrensatz

Für Kunstwerke gelte im Allgemeinen, dass für jede einzelne Figur im Vorfeld eine Risikoabschätzung gemacht werden müsse, sagt Zenhäusern. «Eine Normierung von Kunstwerken ist nicht möglich, weil jedes Kunstwerk einzigartig und individuell ist und sich in Höhe, Gewicht, Verankerung und Zweck unterscheidet.»

Tourismusorganisation: «Keine Handhabe»

Die Tourismusorganisation Graubünden Ferien bedauert das tragische Unglück. Wie Sprecher Luzi Bürkli sagt, liegen die touristischen Skulpturen im Kanton jeweils in der Verantwortung der zuständigen Bergbahnen, Destinationen oder sogar Gemeinden. «Wir als Tourismusorganisation haben hier keine Handhabe, um Richtlinien im Umgang mit ihnen zu verfügen, und auch keine Aufsichtspflicht.» 

Graubünden Ferien könne deshalb wohl Empfehlungen aussprechen, aber keine Anordnung erlassen, wie man zukünftig mit solchen Skulpturen umgehen soll. Das sei nicht die Aufgabe der Marketingorganisation. «Es ist aber natürlich klar, dass jede Region bestrebt ist, dass so ein tragischer Unfall wie am Montag nicht passiert», sagt Bürkli. Sicherheit habe oberste Priorität.

Beitrag lesen