Silvio Riesen im Beobachter zu den Genugtuungssummen in der Schweiz

Wer einen Schaden erleidet, hat eventuell Anrecht auf eine Entschädigung. Meist ist sie aber kleiner als erwartet.

Der Zahnarzt von Irina Isler* hat schlecht gearbeitet. Er hat ihr mangelhafte Zahnprothesen eingesetzt. Damit beginnt Islers Martyrium. Ein Jahr lang hat sie Schmerzen beim Essen, kann nicht normal kauen und sprechen. Muss ihr der Zahnarzt eine Genugtuung zahlen?

Ja, sagte das Gericht. Es sprach ihr ein Schmerzensgeld von 1000 Franken zu. Das Gericht hielt fest, man willige als Patient zwar in die Behandlung ein, nicht aber in einen Kunstfehler.

Was ist ein gravierender Schaden?

Wenn das erlittene körperliche und seelische Leiden gravierend ist, kann man zusätzlich zum Schadenersatz eine Genugtuung fordern. Sie soll eine finanzielle Wiedergutmachung sein und den erlittenen Schmerz aufwiegen. Was aber gilt juristisch als gravierend? Jeder erlebt eine belastende Situation anders. Im Streitfall entscheidet daher der Richter, ob eine Genugtuung ausgerichtet wird.

Zahlen muss die Genugtuung der Verantwortliche für den Unfall respektive dessen Haftpflichtversicherung. Grundsätzlich gilt: Bei Körperverletzungen ist eine Genugtuung geschuldet, wenn die Verletzung bleibende Folgen hat, das Leben bedroht, einen längeren Spitalaufenthalt nötig macht oder eine längere Arbeitsunfähigkeit bedeutet. Bei psychischen Schmerzen wird auf das «Empfinden eines Durchschnittsmenschen» abgestellt, also keine messbare Grösse. Das macht die Sache nicht einfacher.

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